Sonntag, 30. Oktober 2011

Fibromyalgie und Rente

Das Krankheitsbild Fibromyalgie stellt eine große Herausforderung für viele Hausärzte dar. Die Patienten klagen über vielerlei Beschwerden, wie Schmerzen an der Schulter, die in der nächsten Sprechstunde am Knie sind, Morgensteifigkeit, Müdigkeit und Mattigkeit, Kloßgefühl im Hals, Druck auf der Brust, Magen-Darm-Beschwerden und Schlafstörungen.

Die Patienten werden zum Orthopäden, Radiologen, Kardiologen geschickt, ohne einen Nachweis einer Krankheit zu erhalten. Der Orthopäde spricht von alterstypischen Abnutzungserscheinungen und das die Beweglichkeit noch sehr gut erhalten sei (Fuß-Boden-Abstand = 0).

Nach einigen Jahren, häufig erst nach 10 und mehr Jahren wird ein Internist und Rheumatologe für die betroffenen Erkrankten die Diagnose Fibromyalgie M 79.7 stellen. Die Fibromyalgie-Betroffenen haben inzwischen Schmerzspitzen auf der Schmerzskala (VAS) zwischen 5 und 9 von 10 und einen hohen Leidensdruck.

Ab diesem Zeitpunkt schlagen die Leidensgeschichten unter anderem bei mir in der Sozialversicherungskanzlei auf. Es geht um Ablehnung von Krankengeldzahlung, Schwerbehinderung oder gar Rente wegen Erwerbsminderung oder private Rente wegen Berufsunfähigkeit bzw. Dienstunfähigkeit.

Was läuft aus Sicht des Rentenberaters und Rechtsbeistands falsch?

  1. Bei den Mandanten findet häufig eine unzureichende Behandlung statt
  2. Der Rentenantrag wird zu früh eingereicht
  3. Es findet kein Chancengespräch vor einem Rentenantrag, Widerspruch oder Klage statt
  4. Wenig Zeit vorhanden bei VdK und Rechtsanwälte

Zunächst möchte ich erläutern, warum aus Sicht des ärztlichen Dienstes der Krankenkassen, Versorgungsämter und Rentenversicherungsträger die Behandlung häufig unzureichend ist.

Bei vielen Mandanten vermisse ich eine Schmerzbehandlung bei einem Arzt für Spezielle Schmerztherapie. Dieser wird dem Mandanten den Schmerzchronifizierungsfaktor nach Gerbershagen (Grad I bis III) und die Schmerzstärke nach VAS entsprechend einer Skale von 0 bis 10, wobei 0 kein Schmerz bedeutet und 10 der allergrößte Schmerz bedeutet. Eine Behandlung sollte mehrere Jahre stattfinden und auch Schmerzkliniken einschließen.

Trotz hohem Leidensdruck findet häufig keine Behandlung bei einem Psychiater mit gleichzeitiger Verhaltenstherapie bei einem Diplom-Psychologen statt.

Die Mandanten haben zwar eine Diagnose „Fibromyalgie“ aber keinen Nachweis über den Leidensdruck. Die Diagnose Fibromyalgie ohne weitere Diagnostik z.B einer affektiven Störung (Depression) weist einen niedrigen bzw. mittleren Leidensdruck aus, der für eine Rentenantragstellung einer Rente wegen Erwerbsminderung kaum ausreicht.

Der Hausarzt rät wegen häufigen Klagen der Betroffenen zum Rentenantrag, ohne das vorher eine Schmerzbehandlung bzw. Verhaltenstherapie stattfindet. Die Rentenanträge werden abgelehnt und es wird Widerspruch über VdK oder Rechtsbeistand eingereicht. Im Rahmen des Widerspruchsverfahren wird über den ärztlichen Dienst des Rentenversicherungsträgers in aller Regel eine Dysthmia (Befindlichkeitsstörung) festgestellt und der Widerspruch abglehnt. Der Widerspruchsführer könne noch mindestens sechs Stunden arbeiten. Mich wundern diese Ergebnisse überhaupt nicht - siehe Erläuterungen zu Ziffer 1.

Der VdK oder Rechtsbeistand reicht Klage ein. Das Klageverfahren dauert 1 bis 1 1/2 Jahre und inzwischen ist die Fibromyalgiebetroffene von allen Sozialleistungen ausgesteuert und erhält wegen Beschäftigung des Ehepartners in vielen Fällen kein Arbeitslosengeld II.

In Begutachtungssituationen wird bei den Antragstellern von einer Rentenbegehrungshaltung ausgegangen und das deutliche Missverhältnis zwischen den beklagten Beschwerden und den Diagnosen festgehalten. Die Klagen und Berufungen werden häufig abgelehnt.

Am Ende des Klage- oder Berufungsverfahrens liegen in manchen Fällen die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen einer 3/5 Belegung für eine Rente wegen Erwerbsminderung nicht mehr vor.

Bei einem Wechsel von VdK zu einem Rentenberater stellt dieser dann die fehlenden besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen einer Rente wegen Erwerbsminderung fest.

Zum Schluss noch möchte ich auf ein Problem beim VdK hinweisen. Diese führt für Bedürftige in lobenswerter Weise Tausende von Verfahren und das führt zu einer Überlastung der VdK-Sozialrechtsbeistände. Die Mandanten erhalten keine Post vom VdK über den Fortschritt des Verfahrens und es findet keine Vorbereitung für die mündliche Verhandlung statt. Viele Verfahren könnten vermutlich bei vorheriger richtiger Einschätzung der Chancen vermieden werden und der Stempel der Rentenbegehrungshaltung wäre nicht in den Gutachten.

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